Für Aufregung in den Medien sorgte am Beginn dieser Woche die Meldung im SPIEGEL über die Ergebnisse der Sitzung des Vertrauensgremiums des Haushalts-ausschusses des Deutschen Bundestages, nach der 27 Bundestagsabgeordnete der LINKEN vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Das zur Vertraulichkeit verpflichtete Gremium prüft u.a. die
Wirtschaftspläne der drei Nachrichtendienste: des
Bundesnachrichtendienstes (BND), des Bundesamtes für Verfassungsschutz
(BfV) und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Das
Vertrauensgremium stellt gemeinsam mit dem Parlamentarischen
Kontrollgremium (PKGr) und der G-10-Kommission die parlamentarische
Kontrolle der Nachrichtendienste sicher. Die Bundesregierung ist
gesetzlich dazu verpflichtet, den genannten Gremien umfassend über die
allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von
besonderer Bedeutung zu unterrichten. In beiden Gremien sind auch
Abgeordnete der Linken Mitglied.
Die Beobachtung der LINKEN wird im letzten Verfassungsschutzbericht aus
dem ersten Entwurf des Grundsatzprogramms abgeleitet. Darin heißt es:
"Wir streben eine sozialistische Gesellschaft an. (...) Demokratischer
Sozialismus zielt auf grundlegende Veränderungen der herrschenden
Eigentums-, Verfügungs- und Machtverhältnisse." Eine Rolle spielen
hierbei auch diverse parteiinterne Gruppen, wie z.B. die Kommunistische
Plattform.
Die öffentliche Empörung der Oppositionsparteien und das Aufspringen der
Medien gipfelte nun darin, dass der LINKEN-Fraktionsvorsitzende Gregor
Gysi fordert, die Beobachtung der 27 Abgeordneten vollständig einstellen
zu lassen und einen entsprechenden Antrag seiner Fraktion im Bundestag
ankündigt. Der Abgeordnete Roland Claus bezeichnete das BfV gegenüber
der Berliner Zeitung als "Luschenbehörde mit einer verheerenden
Wirkung“. Nach eigener Aussage gegenüber der Zeitung geriet er erstmals
1984 ins Blickfeld des Verfassungsschutzes, weil er als damals
29-jähriger FDJ-Funktionär in Halle eine Demonstration gegen die
Nato-Nachrüstung organisiert hatte.
Zunächst einmal ist es sehr verwunderlich, dass die LINKE ein Thema, das
seit 1995 relevant ist, genau zu diesem Zeitpunkt in den Fokus der
Öffentlichkeit rückt. Denn bereits seit 1995 schließt die Beobachtung
durch den Verfassungsschutz auch vereinzelt Abgeordnete der PDS bzw.
Linken mit ein. Vor diesem Hintergrund ist auch die öffentliche Erregung
einiger Abgeordneter der SPD und von B90/GRÜNEN unverständlich, denn
diese Beobachtung fand auch in ihrer Regierungszeit statt.
Dass die Beobachtung (nicht Überwachung!) von Abgeordneten der
Gesetzeslage entspricht, bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in
einem höchstrichterlichen Urteil am 21. Juli 2010. Konkret wurde hier im
Fall des Thüringer Linkspartei-Politikers Bodo Ramelow geurteilt,
dessen Beobachtung durch das Gericht als rechtmäßig und verhältnismäßig
eingeschätzt wurde.
Der Verfassungsschutz hat generell den gesetzlichen Auftrag, solche
Bestrebungen zu beobachten, die „gegen die freiheitlich-demokratische
Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit“ des Landes gerichtet sind
(Paragraph 3 Verfassungsschutzgesetz). Die Beobachtung ist daher
zulässig, „weil die Partei ,Die Linke’ verfassungsfeindliche
Bestrebungen verfolgt“, wie am Leipziger Gericht festgestellt wurde.
Die LINKE versucht nun, sich exakt in einer Situation zum Opfer zu
stilisieren, in der die Arbeit des Verfassungsschutzes im Zusammenhang
mit den Ermittlungen zur rechtsextremen Terrorgruppe kritisch überprüft
wird. In subtiler Weise wird dabei der Verfassungsschutz als unsauberes
Instrument des Rechtsstaats diskreditiert und teilweise sogar
unterschwellig mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR in
Verbindung gebracht.
Dabei unterliegt das dem Bundesinnenministerium zugeordnete Bundesamt
für Verfassungsschutz den oben aufgeführten parlamentarischen
Kontrollen, es hat nach dem Trennungsgebot von Polizei und
Nachrichtendiensten keine Vollzugsbefugnisse, dafür aber einen klaren
gesetzlichen Auftrag.
Wer die Beobachtung von Abgeordneten für „unerträglich“ hält, wie es die
Bundesjustizministerin in einem Interview getan hat, kann eine
Gesetzesänderung einbringen, die Abgeordnete von der Beobachtung durch
den Verfassungsschutz ausnimmt. Doch gilt zu bedenken: Schließen wir
Abgeordnete generell von der Beobachtung aus, so könnte dies zukünftig
auch Abgeordnete der NPD oder weiterer extremistischer Parteien
betreffen, sollten sie Sitze in einem Parlament erringen. Kritikern des
Verfassungsschutzgesetzes steht es frei, einen Änderungsantrag zum
Gesetz einzubringen, nach dem der Verfassungsschutz alle Abgeordnete
beobachten darf - außer die der LINKEN. Offensichtlich ist es das, was
Herrn Gysi vorschwebt. Dass eine solche Regelung den
Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 GG) verletzen würde, versucht Herr Gysi
in seiner hemmungslosen Propagandakampagne vorsätzlich zu ignorieren.
Die Kritik an der Arbeit des Verfassungsschutzes hinsichtlich der
Beobachtung von Abgeordneten ist daher zurückzuweisen.
Eigentlich steckt hinter dieser Auseinandersetzung ein grundsätzlicher
Konflikt, dem wir uns stellen müssen: Seit Jahren gibt es eine Tendenz
der systematischen Verharmlosung des Linksextremismus. Die PDS/LINKE
sollte sich mit den Extremisten in ihren eigenen Reihen
auseinandersetzen statt das Bundesamt für Verfassungsschutz zu
diffamieren, das die Aufgabe hat, alle verfassungsfeindlichen Tendenzen
zu erfassen und die Öffentlichkeit darüber qualifiziert zu informieren.
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